Rückblick auf die 44. Legislaturperiode |
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1. Staatspolitik und Rechtsordnung
93.066 |
Bundesgesetz über die
politischen Rechte. Teiländerung |
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Législation sur les droits
politiques. Révision partielle |
Botschaft: 01.09.1993 (BBl III, 445 / FF III, 405)
Ausgangslage
Das Bundesgesetz vom 17. Dezember 1976 über die
politischen Rechte hat sich seit seinem Inkrafttreten am 1. Juli 1978 gesamthaft
gesehen weitgehend bewährt. Ein punktuell enormes, nicht voraussehbares Anwachsen des
Gebrauchs politischer Rechte bei Wahlen (Verdoppelung der Kandidaten, der Listen und der
Listen- und Unterlistenverbindungen, exponentielles Wachstum der Wahlzettel je nach Kanton
bis zum Neunzigfachen), aber auch bei Referenden, Volksinitiativen und Volksabstimmungen
hat indessen in den letzten Jahren vor allem die grossen Gemeinden und die
bevölkerungsreichen Kantone, aber auch die Bundesbehörden teilweise vor nicht mehr zu
verantwortende Vollzugsschwierigkeiten gestellt. Eine Trendumkehr ist nicht in Sicht.
Daher sind Änderungen im bisherigen Verfahren zur Vorbereitung und Durchführung der
Nationalratswahlen unausweichlich und zu den andern Regelungsbereichen angezeigt.
Die Vorlage verzichtet auf Verfassungsänderungen. Diese
sind abgestimmt auf die Regierungsreform vorzuschlagen.
Die Vorlage sieht im wesentlichen folgende Änderungen vor:
- Ermöglichung voraussetzungsloser brieflicher Stimmabgabe;
- Ermöglichung EDV-gestützter Ermittlung von Wahl- und
Abstimmungsergebnissen;
- Festlegung des Wahlanmeldeterminschlusses durch die Kantone
innerhalb einer bundesrechtlich bestimmten Periode;
- Differenzierte Erhöhung der Unterschriftenquoren und
Druckkostenbeitrag;
- Einräumung der Möglichkeit an die Majorzkantone,
Nationalratswahlen auch still durchzuführen;
- Eröffnung der neuen Legislatur mit einer ordentlichen
Session zu Beginn der zweiten Januarwoche des Nachwahljahres;
- Erstreckung der Referendumsfrist von 90 auf 100 Tage
und Streichung der Nachbescheinigungsmöglichkeit;
- Verhinderung von Fremdunterzeichnungen bei Volksbegehren
dadurch, dass künftig neben dem blockschriftlichen Namenszug zusätzlich noch die
eigenhändige Unterschrift verlangt wird;
- Wiedereinführung rudimentärer Verfahrensvorschriften für
das Kantonsreferendum;
- Verkürzung der Behandlungsfristen und Einbau der
Volksabstimmung in die ordentlichen Behandlungsfristen für Volksinitiativen.
Die Vorlage verzichtet unter anderem auf eine Änderung des
Termins der Nationalratswahlen, auf den Erlass von Normen über die Wahlkampffinanzierung
und die Offenlegungspflicht sowie auf Wahlkampfkostenbeiträge an die Parteien.
Verhandlungen
B. Bundesgesetz über die politischen Rechte - B. Loi
fédérale sur les droits politiques
NR |
16.12.1993 |
AB 1993, 2323 |
SR |
09.03.1994 |
AB 1994, 181 |
NR |
14.03.1994 |
AB 1994, 325 |
NR / SR |
18.03.1994 |
Schlussabstimmungen (105:60, 41:0) |
Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates
beschloss, den Entwurf in zwei Beschlüsse aufzuteilen. Die politisch unbestrittenen
Verbesserungen sollten in eine separate Vorlage aufgenommen und rasch verabschiedet
werden, um rechtzeitig für die nächsten Nationalratswahlen bereit zu sein.
Im Nationalrat kamen aber nicht nur die vorgesehenen
unbestrittenen Bestimmungen zur Beratung, sondern aufgrund eines mit 94 zu 59 Stimmen
gutgeheissenen Ordnungsantrages von Spoerry (R, ZH) und Iten (C, NW) auch die von der
Kommission bereits behandelten Artikel 24 und 31 (Unterzeichnungsquoren, Kaution,
Listenverbindungen). Die Mehrheit folgte dem Argument, wonach höhere
Unterzeichnungsquoten und eine Beschränkung der Listenverbindungen im Interesse einer
transparenteren und effizienteren Abwicklung der Wahlen dringend benötigt würden. Gegen
den Willen von SP, LdU/EVP, GPS und SD/Lega wurden in den sechs bevölkerungsreichsten
Kantonen die für die Einreichung eines Wahlvorschlags notwendigen Unterschriftenzahlen
erhöht. In Zürich und Bern müssen 200 Stimmberechtigte einen Vorschlag unterschreiben,
in St.Gallen, Aargau, Waadt und Genf je 100. In den anderen Kantonen sind unverändert 50
Unterschriften nötig. Zugleich können Druckkostenbeiträge von 500, 1000 oder 2000
Franken eingefordert werden, wenn die Liste weniger als einen Zwanzigstel der für einen
Sitz erforderlichen Stimmen erreicht. Damit sollen "Juxlisten" verhindert
werden. Beschlossen wurde auch das Verbot von Unter-Unterlistenverbindungen sowie die
beschränkte Unterlistenverbindung.
Der Ständerat lehnte eine Verknüpfung des passiven
Wahlrechts mit Geldbeträgen ab. Er strich deshalb auf Antrag von Büttiker (R, SO) die
Druckkostenbeiträge, erhöhte aber dafür die Unterschriftenzahlen auf 100, 200 und 400
Unterschriften (je für Kantone mit zwei bis zehn Sitzen, 11 bis 20 Sitzen und mit über
20 Sitzen). Im übrigen schloss er sich den Beschlüssen des Nationalrates weitgehend an.
- Der Nationalrat bereinigte die letzten Differenzen im Sinne des Ständerates, dies
wiederum gegen den Widerstand einer grösseren Minderheit.
A. Bundesgesetz über die politischen Rechte - A. Loi
fédérale sur les droits politiques
NR |
08.03.1995 |
AB 1995, 441 |
Der Nationalrat beriet die zurückgestellten
Aenderungsvorschläge in der Frühjahrssession 1995. Obwohl es dabei nicht um
grundsätzliche Weichenstellungen ging, führten Minderheitsanträge zu ausgedehnten
Debatten. Ein Antrag einer Minderheit Tschäppät (S, BE), wonach die Kompetenz zur
Abfassung der Abstimmungserläuterungen vom Bundesrat auf das Parlament übertragen werden
sollte, wurde mit 67 zu 41 Stimmen abgelehnt. Mit 89 zu 42 Stimmen wurde ein weiterer
Minderheitsantrag verworfen, der Beiträge an die Wahlkampfkosten verlangte. Linke und
grüne Ratsmitglieder erklärten, die heutige mangelhafte Transparenz schaffe Unbehagen
und Misstrauen; die bürgerliche Seite wandte dagegen ein, der Vorschlag laufe auf eine
Parteienfinanzierung hinaus, wofür die Verfassungsgrundlage fehle. Bei der Festsetzung
der Referendumsfrist folgte der Rat der Minderheit, die gemäss dem Antrag des Bundesrates
eine Frist von 100 Tagen vorsehen wollte; die Mehrheit der Kommission hatte ein Verfahren
vorgeschlagen, das 120 Tage gedauert hätte (90 Tage Referendumsfrist sowie 30 Tage für
die Beglaubigung der Unterschriften).
Bei Artikel 68 folgte der Rat einem Antrag Raggenbass (C,
TG) mit 63 zu 49 Stimmen, der gemäss Antrag des Bundesrates das Initiativkomitee
zahlenmässig begrenzen wollte (auf 27 Mitglieder); die Kommission hatte vorgeschlagen,
keine Begrenzung festzusetzen. Deutlich verworfen wurde ein Antrag einer Minderheit Gross
(S, ZH), wonach ein Initiativkomitee, dessen Volksinitiative zustandegekommen ist und
nicht zurückgezogen wird, Anrecht auf einen Bundesbeitrag von 200 000 Franken erhalten
sollte. Die Frist, innert welcher der Bundesrat nach der Schlussabstimmung in den
eidgenössischen Räten eine Volksinitiative zur Abstimmung zu unterbreiten hat, wurde vom
Rat auf 9 Monate festgesetzt.
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